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Armin Wilding

Muss ich ADHS ertragen, weil Opa Hugo in seinem Leben Mist gebaut hat?

Aktualisiert: 3. Juni 2023



Die "Zeit" berichtet, dass es zunehmend zu ADHS-Verdachtsfällen bei Erwachsenen kommt. Schockierend?

Was steckt wirklich hinter der Häufung von "ADHS-Symptomen" nicht nur bei Kindern, sondern bis weit ins Erwachsenenalter hinein? Die Berliner "Zeit"-Journalistin Kati Krause machte dazu einen Selbstversuch, denn entsprechend der im Internet zirkulierenden Informationen, stellte sie bei sich selbst mehrere eindeutige ADHS-Symptome fest.


Doch erst zu den harten Fakten: In Deutschland gibt es für 4,4 Prozent der Kinder eine ADHS-Diagnose, in den USA für fast 10 Prozent. Angeblich dauert die "Erkrankung" bei 6-7 von 10 Person bis ins Erwachsenenalter an. Alles Zahlen, die sehr mit Vorsicht zu genießen sind, denn nicht nur die Fall der nicht-diagnostizierten Fälle kann stark schwanken, auch gibt es diagnostische "Modeströmungen" und Menschen, die auf eine Diagnose drängen, um "endlich Sicherheit zu haben".


Hier wären jedoch noch Fragen einzufügen, die kaum einer stellt: Was bedeutet diese Sicherheit in letzter Konsequenz? Geht es um die Entlastung vom gesellschaftlichen Druck? Nun kann man ja sagen "Ich bin halt so, bin krank, also lasst mich in Ruh!" Geht es darum, dass Medikamente in 70% der Fälle Wirksamkeit zeigen und man dann mit lebenslanger Medikation guten Gewissens wieder seinem Alltag nachgehen kann? Macht es das Leben einfacher, sich als Opfer eines biologischen Zufalls, der "Genetik" oder anderer Faktoren, "die mit mir nichts zu tun haben" zu fühlen?

Oft sind die Betroffenen einer langen Leidensgeschichte ausgesetzt und da wünscht man sich vor allem eines: Gewissheit und Erleichterung. Und das ist auch völlig verständlich, da gibt es nichts dagegen einzuwenden.


Gleichzeitig wissen wir mittlerweile, dass die Zahl der Erkrankungen, deren Wurzeln in der Seele des Patienten liegen groß ist, sehr groß. Familienaufstellungen zeigen dazu noch, dass die Wurzeln von seelischer und körperlicher Belastung und Krankheit mitunter eine, zwei, ja drei Generationen zurückliegen können. Da sind wir wieder bei der Genetik: Genetische Belastungen werden vererbt und gleichzeitig konnte nachgewiesen werden, dass sich genetische Dispositionen auch der Veränderung unterliegen, in verschiedene Richtungen. Dass ich also mit einer bestimmten Veranlagung geboren wurde, bedeutet nicht, dass keinerlei Veränderung mehr möglich ist und sich alle Defekte in die Zukunft fortsetzen bzw. nach genetischen Gesetzen vererben werden.


"Muss ich jetzt krank sein, weil Opa Hugo in seinem Leben Mist gebaut hat?", so wird man sich vielleicht fragen. Nun, nach derzeitigem Wissen kann man dazu sagen "Ja" und "Nein"! "Ja", weil wir auch ohne Genetik sattsam mit allem Vorzüglichen und Schwierigen aus unserer Vorfahren Lebenserfahrung und Persönlichkeit ausgestattet werden. Im 20. Jahrhundert dachte man noch vielerorts, der Mensch wäre in dem Sinn frei, dass er als Individuum außerhalb der Generationenfolge stünde und gewissermaßen sogar ein Recht auch absolute Trennung von seinen Vorfahren und Kindern habe: Ich habe nur im Guten aber nicht im Schlechten mit dem Leben meiner Eltern zu tun und meine Kinder kriegen von mir auch nichts Schlechtes mit. Auch das eine Modeströmung, wie sich nun zeigt, denn viel eher befinden wir uns als Menschen in einem Strom der Generationenfolge als dass wir eine punktuelle Neuschöpfung wären.


Nun aber zurück zu den viele Erwachsenen, die bei sich ADHS vermuten. Kati Krause bekam in der Einzelsitzung mit der Psychiaterin sehr schnell eine Absage "Frau Krause, ADHS haben sie ganz sicher nicht." Was sich jedoch zeigte, und das ist anscheinend in vielen Fällen so: ADHS wird oft von Symptomen begleitet, die einem anderen Störungskreis in unserer Zeit ähneln: Beeinträchtigte Konzentration und gestörte Aufmerksamkeit durch Multitasking, elektronische Geräte, Leistungsdruck von außen und innen, die Forderung von Perfektion und totaler Flexibilität. Der Körper, die Psyche und mit ihnen die Seele reagieren in ihrer "Sprache" mit Symptomen und Störungen.


Gelingt es, diese Sprache richtig zu verstehen und zu erkennen, was unsere tiefsten Bedürfnisse sind, dann haben wir die besten Voraussetzungen für einen stärkenden Dialog mit dem Leben.


Den ganzen Artikel in der "Zeit" können Sie hier nachlesen: ADHS bei Erwachsenen: “Alle haben zurzeit ADHS”

 

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